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Hörensagen - ein kommunikatives Kulturelement zersetzt und zerrüttet Menschen, Teams und Organisationen

Veröffentlicht am 27.04.2019

Hörensagen hat Jedermann schon erlebt und selber praktiziert. Unser Bauchgefühl signalisiert uns schnell, dass das nicht das optimale Kommunikationsverhalten ist, aber wir tun es trotzdem. Was steckt dahinter? In meiner langjährigen Berufserfahrung als Mediatorin habe ich die zersetzende und zerrüttende Wirkung erleben und analysieren können. Ein scheinbar harmloses Gespräch hat weitreichende Konsequenzen. Wären wir in unserer Gesellschaft in der Lage allein dieses Phänomen zu unterbinden, wären wir deutlich gesünder und leistungsfähiger.

Die, langfristig betrachtet, auch entmündigende Wirkung auf die Kommunikationskultur in einer Organisation bringt nichts als Stress, Belastung, manchmal sogar Unheil und Unglück für alle Beteiligten. 

Hörensagen – wie entsteht es?

Was treibt Menschen an, sich an einem zerstörenden oder zersetzenden Kommunikationsverhalten aktiv zu beteiligen? In der Regel geht es um eigenes Anerkennungsbedürfnis oder falsch verstandene Fürsorge. Um eigenes Anerkennungsbedürfnis handelt es sich meist dann, wenn man etwas gehört hat und die „Schlagzeile“ weiterträgt. Etwas zu wissen, was andere nicht wissen, erzeugt Interesse beim Gegenüber. In der Presse gilt der Slogan „no news are bad news“. Wenn man nichts zu erzählen hat, bekommt man nur wenig Aufmerksamkeit. Das tief in uns verankerte und meist chronisch minderversorgte Anerkennungsbedürfnis nährt sich also aus dem Moment, wenn der Satz beginnt mit…Hast du schon gehört? Natürlich gilt es zu unterscheiden, was weitergetragen wird. Wertvolle Informationen weiterzureichen, sodass Kolleginnen und Kollegen ihren Aufgaben besser nachkommen können, zählt nicht zu Hörensagen. Leider gelingt es kaum jemandem den rein sachlich wertvollen Anteil einer Information zu transportieren.

Da man für Sachinformationen nur selten besondere Aufmerksamkeit oder Anerkennung erntet, meinen wir natürlich auch den Rahmen weitergeben zu müssen. Stimmungen, Meinungen, persönliche Äußerungen…wir filtern kaum, geben einfach alles weiter, um in möglichst beeindruckte Gesichter zu blicken und eine Neuigkeit lanciert zu haben. Wer viel weiß, ist ein häufig gesuchter Gesprächspartner für gleichgesinnte Geister.

Die falsch definierte Fürsorge trifft immer dann zu, wenn sich jemand an uns wendet und wir ihm zunächst nur Gehör schenken wollen. Wir wollen das Gegenüber nicht einfach stehen und sich selbst überlassen. Wir hören also zu und dem Urtrieb der Fürsorge entsprechend, wollen wir auch sofort etwas tun. Also beginnen wir zu kommunizieren und tappen in die Hörensagen-Falle.

HörensagenHörensagen

Hörensagen – was bewirkt es?

Stelle ich meinen Klienten die Frage, ob sie möchten, dass man über sie redet, dann bekomme ich zu 100% die Antwort Nein. Sind wir in der Position, in der wir also das Objekt des Hörensagens sind, lehnen Kopf und Bauch das ganz klar ab. Dies ändert sich schlagartig, wenn wir vom Objekt zum Subjekt werden. Also wenn wir das Hörensagen aktiv über andere betreiben. Frage ich meine Klienten, warum sie denn über andere dieses oder jenes weitergetragen haben, dann erhalte ich immer Erklärungen und Ausreden, die das eigene Verhalten rechtfertigen und schön reden. Man wollte ja nur, meinte ja nur, dachte ja nur.

Fakt ist, dass ich in weit über 20 Jahren Berufserfahrung noch keine Situation erlebt habe, in der Hörensagen etwas Gutes bewirkt hätte. Hörensagen ist vielmehr ein zentraler Motor für mediative Aufträge. Es wäre ein erster Schritt, wenn wir hinter die rechtfertigenden Erklärungsansätze einen Haken setzen und den Gedanken annehmen könnten, dass Hörensagen grundsätzlich zersetzend und zerrüttend wirkt.

Erfährt ein Mensch, dass über ihn gesprochen wurde, geht dieser Moment meist noch mit Anonymität einher, was dem Tüpfelchen auf dem i gleichkommt. Das Gerede geht schon einige Zeit und hat seine Kreise gezogen. Da jedoch nicht mehr nachvollziehbar ist, wen die Informationen schon erreicht haben, begegnet der Betroffene fortan jedem Gesprächspartner mit der Frage, ob er auch beteiligt war, welche Rolle er/sie gespielt hat, welche Position ergriffen wurde, was der andere über einen selber denkt, von einem hält. Hörensagen und folgendes Kopfkino sind die Geburtsstunde für Selbstzweifel, Unsicherheit, persönliche Enttäuschung und Frustration. Weil man über und nicht mit uns gesprochen hat, fühlen wir uns isoliert. Ein Teufelskreis beginnt.

Hörensagen – und wie Sie erst gar nicht in die Falle tappen

  1. Zunächst schenkt man dem Gegenüber natürlich sein Ohr. Wichtig ist hierbei der Zeitfaktor. Je mehr Sie erkennen, dass nicht über einen Sachinhalt, sondern über eine Person gesprochen wird, umso mehr öffnet sich die Tür zum Hörensagen.
  2. Erkennen Sie, dass über eine Person gesprochen wird, müssen Sie zunächst unterscheiden, ob es ein positiv-lobendes oder negativ-kritisierendes Gespräch ist. In beiden Fällen gilt die gleiche Vorgehensweise. Positiv-lobende Gespräche sind natürlich die leichteren. Denn jemanden zu ermuntern, dem Betroffenen das Lob direkt zukommen zu lassen, fällt leichter als ihn aufzufordern seine Beschwerde direkt zu äußern.
  3. Fordern Sie Ihr Gegenüber also auf, das Lob dem Betroffenen direkt mitzuteilen. Viele Betroffene wollen auch Lob nicht über Dritte hören, wenngleich es die angenehmere Kommunikationssituation ist.
  4. Meist geht es beim Hörensagen jedoch um negative Inhalte. Eigener Gesprächsdruck bahnt sich einen Weg zu einem Dritten. Sobald Sie erkennen, dass über eine Person gesprochen wird und der Inhalt negativ ist, gilt es den Sprechenden zu unterbrechen. Warten Sie nicht länger ab als notwendig.
  5. Machen Sie Ihr Gegenüber auf ihre eigene Dilemmasituation aufmerksam. Was könnten Sie mit dem Gehörten tun? Es weitertragen? Fatal, denn Sie beteiligen sich aktiv am zersetzenden Hörensagen. Es für sich behalten? Schaffen die Wenigsten. Etwas, das Sie wissen, können Sie nicht mehr ignorieren. Dies verursacht oft schon immensen inneren Druck. Sie sehen den Menschen, über den Sie etwas gehört haben, können ihn jedoch im Grund nicht ansprechen, ohne das Gegenüber, sich selber und den Informationsgeber zu beschädigen. Sie werden mit Gegenfragen konfrontiert: Warum sagt er/sie mir das nicht selber? Warum hast du dich an dem Gespräch beteiligt? Teilst du diese Sicht?
  6. Die wichtigste Botschaft ist, den Ball für den Inhalt nicht anzunehmen, sondern zurückzuspielen. Sie befähigen somit Ihr Gegenüber zur direkten Kommunikation und vermeiden ihr eigenes Dilemma. Je länger Sie zuhören, laden Sie sich auch Verantwortung auf, dieses Gehörte für sich zu behalten.
  7. Sollte der Inhalt so schwierig sein, dass der Sprechende sich nicht alleine in ein Gespräch mit dem direkt Betroffenen traut, können Sie eventuell anbieten, ein Gespräch zu dritt zu führen. Jedoch ist auch dies schon aus Sicht des Betroffenen ein Gespräch mit ungleicher Kräfteverteilung.
  8. Weigert sich der Sprechende auf den Betroffenen zuzugehen, können Sie ihm sagen, dass Sie dieses Feedback leider nicht weiter verwenden können, da es sich im Sinne Hörensagen um unseriöses Feedback handelt. Egal, was Sie damit tun oder an wen Sie sich wenden, es wird nicht besser, sondern reitet Sie weiter in die Hörensagen-Falle hinein.

Mein Appell an alle, die sich nicht an zerrüttendem Verhalten beteiligen wollen, ist es, sich und andere stark in direkter Kommunikation zu machen. Kommunikation über Bande, im Sinne Hörensagen, schafft nur Unheil in Gemeinschaften - egal, ob privat oder beruflich. Wir würden ein gesünderes Leben führen, wenn wir authentisch direkt kommunizieren.